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Die Unternehmenskultur entscheidet

Wie verändern sich Wahrnehmungen in der Arbeitswelt? Dazu führt das IAB, das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, seit mehr als zehn Jahren regelmäßig Befragungen durch. Dabei entstehen spannende Ergebnisse im Detail. Wir sprachen mit Dr. Stefanie Wolter sowohl dazu als auch zu den sich abzeichnenden Trends am Arbeitsmarkt.


Frau Dr. Wolter, Sie führen bereits seit 2012 ein regelmäßiges Panel durch in Bezug auf die Arbeitswelt im Wandel. Welche Themenbereiche decken Sie ab?
Das Projekt untersucht wie sich die Arbeitswelt seit 2012 wandelt und deckt dazu eine breite Palette an Themen ab, die das Zusammenspiel von Betrieben und ihren Beschäftigten in den Fokus rücken. Das reicht von klassischen Themen wie der Entlohnung, den Arbeitszeiten oder Weiterbildungen zu ganz aktuellen Themen wie flexiblem Arbeiten, dem Umgang mit neuen digitalen Technologien oder der Unternehmenskultur. Die Arbeitnehmer:innen fragen wir zudem auch nach ihrer Zufriedenheit mit dem Job, ihrer Wechselabsicht oder nach ihrem Engagement. Das ermöglicht einen sehr umfangreichen Blick darauf wie sich einerseits betriebliche Maßnahmen mit der Zeit geändert haben und andererseits auch wie sich Einstellungen und Wahrnehmungen von Beschäftigten unterscheiden und ändern.

Dabei beziehen Sie immer auch die beiden Perspektiven Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen mit ein. Was sind die aus Ihrer Sicht bemerkenswerten Ergebnisse?
Bei den meisten Themen stimmen die Arbeitgeber:innen und die Arbeitnehmer:innen Perspektive überein. Gibt ein Betrieb beispielsweise an, Mitarbeitergespräche durchzuführen, so sagen Beschäftigte auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass sie eins bekommen haben. Es lohnt sich aber dort genauer hinzuschauen: So gibt es gar nicht so selten den Fall, dass bestimmte Maßnahmen von Führungskräften eigenverantwortlich durchgeführt werden. Beispielsweise erhielt jeder fünfte Beschäftigte ein Feedbackgespräch in Betrieben die gar keine Mitarbeitergespräche führen. Es werden also flexibel Lösungen gefunden ohne das es dafür betriebliche Strategien gibt. Das gleiche gilt aber natürlich auch in die andere Richtung, d.h. obwohl es Unternehmensstrategien gibt, werden sie nicht überall gelebt.

Prof. Dr. Stefanie Wolter sieht noch nie dagewesene Chancen für junge Menschen die jetzt in den Arbeitsmarkt einsteigen – bei gleichzeitig hohen Erwartungen an die Flexibilität.

Gerade jetzt ist der Wandel in der Arbeitswelt spürbarer als noch zuvor: Nachwirkungen der Pandemie, Fachkräftemangel, globale Unsicherheit und technologischer Wandel… Welche Empfehlungen geben Sie Fach- und Führungskräften?
Viele Fachkräfte sind sich mittlerweile ihrer Stellung als knappe Ressource bewusst. Sie können selbstbewusst auftreten und Forderungen durchsetzen, die vor vielen Jahren vielleicht noch undenkbar waren. Wenn man dabei mobil ist, ist das als Fachkraft natürlich nochmal besser. Durch die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, die viele Berufe bieten, kann es auch attraktiv sein sich nach Arbeitgeber:innen umzuschauen, die nicht gleich vor der Haustür zu finden sind. Für Arbeitgeber:innen bedeutet dies natürlich, dass sie etwas bieten müssen, um attraktiv zu sein. Das muss nicht unbedingt das beste Gehalt sein, sondern Betriebe können auch mit anderen Angeboten punkten. Führungskräften kommt dabei eine zentrale Funktion zu. Erleben Arbeitnehmer:innen ihre direkten Vorgesetzten als unterstützend und fördernd, beurteilen sie auch andere Aspekte ihres Arbeitsumfelds positiver. Unsere Studie zeigt, dass Mitarbeiter:innen, die die oder den Vorgesetzten als gerecht wahrnehmen auch zufriedener mit ihrer Arbeit sind. Es gilt also eine Kultur im Unternehmen zu schaffen, in der sich Beschäftigte und ihre Arbeit wertgeschätzt fühlen.

Und was würden Sie jungen Menschen raten, die jetzt in den Arbeitsmarkt eintreten?
Junge Menschen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, haben eine noch nie dagewesene Anzahl an Möglichkeiten sich beruflich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig wird auch eine noch nie dagewesene Flexibilität erwartet. Das Ideal der Eltern- und Großelterngeneration von der Ausbildung bis zur Rente im gleichen Betrieb zu arbeiten und linear aufzusteigen, existiert nicht mehr. Der schnelle technologische Wandel erfordert, dass man ständig dazu lernt, eigene Fähigkeiten weiterentwickelt und beruflich flexibel bleibt. Von daher ist wahrscheinlich der wichtigste Rat die eigenen Fähigkeiten als wichtigste Ressource zu achten und sich nicht zu stark auf die formale Qualifikation zu verlassen.

Wo wir schon dabei sind: Die Generation Z wird ja von allerlei Attributen begleitet. Welche Werte, welche Rückschlüsse auf die Generation erlauben Ihre Forschungsergebnisse? Wie anders tickt diese Generation wirklich?
Insgesamt ist die Bindung an den Arbeitgeber in den letzten Jahren in Deutschland zurückgegangen. Das trifft aber auf alle Beschäftigten zu. Corona hat diesen Trend gestoppt. Es bleibt spannend zu sehen, ob das nur vorübergehend war oder eine echte Trendumkehr. Leider haben wir dazu noch keine Daten.


Erstaunlicherweise hat die Corona Pandemie für eine höhere Bindung der Mitarbeitenden an den Arbeitsplatz bewirkt. Ob das vielerorts betriebene Homeoffice da einen Effekt hat, werden neuere Daten zeigen. Ebenso, ob es den Arbeitgebenden gelungen ist, den Trend fortzuschreiben.

Über die Gen Z wird unter anderem gesagt, dass sie „Quiet Quitting“ betreibt und weniger arbeiten will, Stichwort 4-Tage-Woche. Die eigene Work-Life-Balance ist stärker in den Fokus gerückt. Verglichen mit Generationen vor ihnen kommt die Gen Z auf einen Arbeitsmarkt, der von sehr niedriger Arbeitslosigkeit und einer sehr großen Nachfrage nach Fachkräften geprägt ist. Zusammen mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel ist es verständlich, dass sich Prioritäten verschoben haben. Setzt die Gen Z ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen durch, kommt das dann ja auch anderen Generationen zu Gute. Die Daten bestätigen das Bild von der faulen Gen Z übrigens nicht. Der Trend hin zu einer niedrigeren gewünschten Arbeitszeit ist nichts spezifisches der jungen Generation sondern findet sich auch bei älteren Beschäftigten. Bei den unter 26-Jährigen ist die gewünschte Arbeitszeit bis zur Pandemie sogar recht stabil (Wanger, Susanne & Enzo Weber (2023): Arbeitszeit: Trends, Wunsch und Wirklichkeit. (IAB-Forschungsbericht 16/2023), Nürnberg, 43 S). Auch der Quiet-Quitting-Trend lässt sich in den Daten nicht bestätigen.

Erleben Arbeitnehmer:innen ihre direkten Vorgesetzten als unterstützend und fördernd, beurteilen sie auch andere Aspekte ihres Arbeitsumfelds positiver. Unsere Studie zeigt, dass Mitarbeiter:innen, die die oder den Vorgesetzten als gerecht wahrnehmen auch zufriedener mit ihrer Arbeit sind. Es gilt also eine Kultur im Unternehmen zu schaffen, in der sich Beschäftigte und ihre Arbeit wertgeschätzt fühlen.

Prof. Dr. Stefanie Wolter

Wie können, ja müssen sich Unternehmen aufstellen, um diesem gerecht zu werden?
Für Unternehmen ist es wichtig der jungen Generation offen gegenüberzutreten und sie als Chance zu begreifen. Sie bringen neue Impulse ein und bewegen sich selbstverständlich in einem digitalen Umfeld. Von diesen Fähigkeiten können Unternehmen profitieren. Es geht aber nicht nur darum sich für die Gen Z aufzustellen. Für Unternehmen ist es eine Herausforderung ein Arbeitsumfeld zu schaffen, dass der Vielfalt der Belegschaft in vielen Dimensionen gerecht wird. Zum Teil arbeiten drei Generationen, Mitarbeiter:Innen mit unterschiedlichen kulturellen, mit unterschiedlichen Geschlecht und mit und ohne Behinderung zusammen. Unternehmen sollten sich daher flexibel zeigen und nach individuellen Lösungen suchen und diese Diversität als Chance begreifen.


Unsere Interviewpartnerin

Dr. Stefanie Wolter studierte European Studies an der Technischen Universität Chemnitz und Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Im Mai 2019 schloss sie ihre Promotion an der Julius-Maximilian-Universität Würzburg zu „Factors of Firm Success: Management Practices, Workforce Composition and Ownership” ab. Sie ist seit Juli 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsdatenzentrum der BA im IAB. Außerdem leitet Frau Wolter das BMAS-geförderte Projekt „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“, das Zusammenhänge zwischen betrieblicher Personalpolitik und wie Beschäftigte ihre Arbeit wahrnehmen, erforscht.


Bildquelle / Lizenz Aufmacher: Foto von Christin Hume auf Unsplash