„Der Wandel gehört zu unserem Leben“
Wenn du jetzt dein jüngeres Ich noch mal treffen könntest, was würdest du dem für diese Zeit auf den Weg geben?
Absolut nie die Hoffnung aufgeben, die Welt besser machen zu können – und immer danach streben. Mein persönliches Schicksal ist es, dass ich als Kriegsflüchtling das Land verlassen musste. Dadurch habe ich diesen Glauben zunächst ein Stück weit verloren, was ich sehr bedauere. Wenn irgendwie möglich, behalte dir die Neugierde und den Glauben daran, dass du die Welt verändern kannst. Zudem rate ich jedem Menschen: Setze dir Ziele. Diese müssen nicht unnötig hochgesteckt sein, aber ohne Ziele ist das Leben langweilig.
Und zu guter Letzt: Bleib offen, bleib ehrlich. Lerne immer wieder Neues dazu. Zwinge dich, nicht an einer Stelle zu verharren, sondern dich inhaltlich, geografisch, hierarchisch oder egal wie weiterzuentwickeln. In 31 Jahren habe ich für neun Firmen gearbeitet und darauf bin ich sehr stolz.
Prof. Dr. Rump drückte es so aus: wir müssen geistig beweglich bleiben. Aber wir müssen auch herausfinden, was uns im Kern ausmacht, nur so werden wir zu Resilienz gelangen …
Dem kann ich nur zustimmen. Die Leute vergessen immer gerne eines: Wir sprechen über resiliente Unternehmen, darüber, dass Länder widerstandsfähiger sein müssen, und vergessen dabei, dass wir als Mensch selbst auch Resilienz brauchen. Doch dafür ist ein neues Mindset notwendig: Zunächst müssen wir einmal selbst glücklich sein. Nicht unser Chef steht an erster Stelle und auch nicht unsere Eltern, sondern wir selbst. Als ich angefangen habe, diesen Blickwinkel einzunehmen, überwog das Positive in meinem Leben, und irgendwann habe ich diese Positivität auch ausgestrahlt. Das bedeutet nicht, die eigenen Wurzeln zu verleugnen. Im Gegenteil, diese Wurzeln sollte jeder pflegen. Die Sicherheit, dahin zurückzukehren, kann dir keiner nehmen.
Ich bin davon überzeugt: weniger Ängste, an sich glauben, permanent lernen – diese Punkte sind wichtig. Dann geht man auch mit mehr Freude durch das Leben.
Polykrisen, das ist der derzeitige Hintergrund, vor dem nun viele Berufsanfänger stehen. Wie schaffst du es da, diesen Optimismus, den du gerne jungen Menschen auch mitgeben möchtest, zu wahren?
Es bringt einen nicht weiter, Probleme zu ignorieren. Ich selber bin durch wirklich schwierige Lebenskrisen gegangen. Du musst Krisen respektieren, darfst aber nicht verzweifeln. Sorge lieber dafür, dass die Welt zu einem besseren Ort wird.
Was ist für dich Leadership?
Wir brauchen definitiv keine Leader, die auf den Tisch hauen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Ich kann bei meinem Sohn fünfmal auf den Tisch hauen, das ist ihm herzlich egal. Aber ich kann ihn überzeugen, dass etwas gut ist für ihn. Wir brauchen Leader, ob nun in Wirtschaft, Gesellschaft oder Politik, die uns am eigenen Beispiel zeigen, was richtig gut ist.
Wie können denn aus jungen Menschen solche Leader werden?
In unserer modernen Wirtschaft, in dieser Form der Plattform-Ökonomie, ist eigentlich jeder in irgendeiner Form ein Leader. Noch nie war es so einfach, in virtuellen Teams Führungsaufgaben zu übernehmen, auch wenn man keine formale Führungsposition innehat. Gleichzeitig – und da bin ich ganz ehrlich: Es gibt nichts Schöneres, als ein Leader zu sein. Für mich ist die Tatsache, jeden Tag mit Menschen zusammenzuarbeiten und sie zu führen, wirklich etwas zu bewegen durch den kommunikativen Austausch, eine tolle Sache. Die Tür dazu kann ich jungen Menschen ein Stück weit öffnen. Leader zu sein heißt aber auch, sich darüber im Klaren zu sein, dass man nicht jedermanns Liebling sein kann. Man muss mit Druck umgehen können. Aber vor allem muss man an die Menschen glauben. Sie für die eigenen Ideen begeistern, mit gutem Beispiel vorangehen.
Wie bist du selbst so in dir angekommen?
Da kamen verschiedene Sachen zusammen: „Learning by doing“ jeden einzelnen Tag, zudem habe ich jeden Kurs mitgenommen, den mir meine jeweilige Firma angeboten hat. Ich habe mich auch nie geschämt, zuzugeben, wenn ich ein Problem habe, fachlich etwas nicht kann. Irgendwann kamen dann im Privaten ganz automatisch Schritte der Selbstreflexion hinzu, inklusive ganz persönlicher Entscheidungen: Die erste war, sich bewusst zu sein, dass Angst den Erfolg hemmt. Das Zweite ist, dass Erfolg nicht alles ist, sondern der Weg dahin entscheidend ist. Wenn ich also weiß, dass ich alles unternommen habe und am Ende ist es trotzdem gescheitert, brauche ich keine Angst zu haben und auch nicht enttäuscht sein. Der einzige Druck, den ich mir machen darf, ist der, authentisch zu sein.