HR-Strategie ist Unternehmensstrategie

Das MindChange mag sprach mit Andreas Meya über die wichtigsten Eckpunkte der HR-Studie von Haufe. Andreas Meya hat die Digitalisierungsreise des Softwareanbieters maßgeblich mitgestaltet und entwickelt seit 20 Jahren Angebote für HR-Abteilungen. Er betont, dass HR mehr strategische Relevanz und Akzeptanz braucht.

Herr Meya, Ihre aktuelle Studie zeigt, dass HR eher als administrativ wahrgenommen wird. Das überrascht nicht wirklich, oder?

Sicherlich sind die administrativen Tätigkeiten die absolute Basis für die Arbeit von HR und stehen – aus Sicht der Beschäftigten – für die alltäglichen Aufgaben. Die Ergebnisse überraschen uns nicht, da wir bereits in der Studie 2021 gesehen haben, dass HR von administrativen Tätigkeiten dominiert wird. Die transformationalen Themen sind nicht nur weniger verbreitet, sie sind vor allem – auch hier aus Sicht der Beschäftigten – weniger sichtbar. So geben in unserer Haufe HR Service Experience Studie 2024 sowohl Non-HRler:innen als auch Mitarbeitende aus der HR selbst an, dass HR am häufigsten administrative Tätigkeiten erbringt. Das sind zum Beispiel das Verwalten von Arbeits- und Fehlzeiten (79 %), Stellen ausschreiben (75 %) und die Erstellung von Gehaltsabrechnungen (70 %).

Rund die Hälfte der Befragten sind mit den Transformationsleistungen nicht zufrieden. Dabei sind bzw. sollten HRler eigentlich Mitgestalter der digitalen Transformation sein. Ist das nur eine Wahrnehmung oder transportiert HR schlicht nicht, was es eigentlich leistet?

Generell ist die Zufriedenheit mit den Services von HR stabil auf einem soliden Niveau, aber auch nicht mehr. Am zufriedensten sind die internen „Kund:innen“ hauptsächlich mit den „Standard-Leistungen“. Wenn sie die transformationalen Services ansprechen, zeigt die Studie, dass dort die Zufriedenheit eher im unteren Niveau liegt. Selbstverständlich wünsche ich mir eine starke Rolle von HR in Transformationsprozessen.  Ich glaube, dass diese Themen auch elementar sind, um den Herausforderungen unserer Zeit entgegenzutreten. Man muss sich aber auch fragen: Welche Erwartungshaltung werden an diese Themen gestellt und welche Wünsche sowie Kritik werden hier abgeladen, egal ob berechtigt oder nicht. Zudem ist zu betrachten, in welchem aktuellen Rahmen Personalabteilungen diese Anforderungen erfüllen sollen. Haben sie eigentlich die richtige strategische Einordnung, ausreichende Ressourcen und die Unterstützung der Organisation und des Managements? Rund die Hälfte aller Personaler:innen fühlt sich in einem Zwiespalt zwischen Rekrutierung und Rationalisierung. Zugleich sehen fast zwei Drittel der Personaler:innen eine deutlich strategischere Bedeutung auf sich zukommen.  Unter den Beschäftigten halten sich beide Perspektiven in Grenzen und werden nur von einem Drittel der Mitarbeitenden bejaht. Zumindest im Top-Management sieht knapp die Hälfte (46,7 %) eine wachsende strategische Bedeutung von HR kommen.



Eigentlich sollte – durch Recruiting, Talentmanagement und Weiterbildung – HR sowas wie ein Enabler für die Wertschöpfungskette sein. Was kann die Unternehmensführung leisten, damit hier ein Durchbruch stattfindet?

Das Management der HR-Abteilung sollte natürlich mit gutem Beispiel vorangehen. Sie haben es in der Hand HR voranzubringen und die Wahrnehmung nachhaltig zu verändern. Dazu gehört im ersten Schritt eine konsequente Digitalisierung und auch eine Offenheit zur Nutzung von neuen Technologien und Möglichkeiten. Das Ziel muss es sein, bestmögliche HR-Services für die Mitarbeitenden zu liefern und gleichzeitig einen maximalen Beitrag zur Unternehmensstrategie zu leisten. Dazu braucht HR im Unternehmen strategische Relevanz und Akzeptanz. Diese muss sich HR schrittweise erarbeiten, um ihre Bedeutung für die Zukunft von Unternehmen aufzuzeigen. Deshalb sollten sich HR-Strategien direkt aus den Unternehmens- und Business-Strategien ableiten und von dort aus mit einer maximalen Kund:innenorientierung für die Organisation entwickelt und auch nachhaltig verankert sowie kommuniziert werden.

Welche Ergebnisse haben Sie im Kontext Ihrer Studie am meisten überrascht? Wie sieht es generell mit der Kommunikation zwischen HR und Mitarbeitenden aus?

Grundsätzlich haben sich viele der Ergebnisse zum Status und die Zufriedenheit von HR im Vergleich zur Studie von 2021 bestätigt. Auf den ersten Blick hat uns überrascht, dass der Grad der Digitalisierung sich nicht sprunghaft weiterentwickelt hat. Allerdings sind auch die Anforderungen an die Digitalisierung in den letzten Jahren gestiegen. HR kann also „nur“ Schritt halten, konnte jedoch nicht massiv aufholen.

Spannend ist der komplette neue Themenkomplex im Bereich der künstlichen Intelligenz. Hier waren wir leider sehr überrascht, dass es doch eine sehr geringe Anwendungshäufigkeit in der Praxis gibt, auch wenn die Mitarbeitenden in Personalabteilungen in der Zukunft durchaus die Chancen und Möglichkeiten sehen. Was durch die Clusterung der Befragten in Innovatoren, Early Adopter, Late Adopter und Nachzügler gut ersichtlich ist, sind die Themenfelder mit der höchsten KI-Relevanz. Neben Recruiting und Learning wird vor allem im Bereich der Personal-Verwaltung Potenzial gesehen. In Summe kann man eine sehr schöne Landkarte ableiten, wie eine KI-Roadmap für sein Unternehmen aussehen kann, indem man sich an den Potenzialfeldern orientiert, die Lerneffekte der Innovatoren übernimmt und mit seinen eigenen Prozessen und Schmerzpunkten abgleicht. Natürlich sollte man auch hier die Mitarbeitenden nicht vergessen. Auf welchem Weg wollen sie welchen HR-Service „konsumieren“? Auch hierzu gibt die Studie wichtige Impulse.

So ergibt sie, dass es einige Aufgaben gibt, die HR-Mitarbeitende gern digital über E-Mail, Chat oder Chatbots erledigen möchten, aus Sicht der anderen Beschäftigten eher persönlich bearbeitet werden sollten. Dazu zählt beispielsweise, Arbeitszeiten, Mutterschutz, Home-Office oder Freistellungen zu regeln. Besonders deutlich wird der Wunsch nach persönlicher Betreuung bei den Mitarbeitenden, wenn es um Themen wie Versetzungen, interne Wechsel und das Ermitteln und Fördern von Mitarbeitendenengagement geht. Hier wünschen sich sogar über 50 Prozent der Non-HR-Mitarbeitenden ein persönliches Gespräch.

Sie haben es selbst eben gesagt, die Anwendung von Technologien wie KI steckt noch in den Kinderschuhen. Einige Unternehmen laufen voran, in der Breite frisst das Tagesgeschäft viel vom Gestaltungspotenzial. Besteht die Gefahr einer „Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten“?

Sicherlich besteht die Gefahr, Chancen zu verpassen und den Anschluss zu verlieren. Andererseits muss jede:r den Ansatz finden, der zum eigenen Unternehmen passt. Wir sehen, dass knapp ein Fünftel der befragten HR-Mitarbeitenden im Bereich KI vorangeht. Ein gutes Drittel folgt frühzeitig und ein gutes Viertel etwas verzögert. Allerdings können diese Personen dann auch von Lerneffekten profitieren. Aber ja, es ist immer eine Abwägungssache, den richtigen Zeitpunkt und Ansatz für den Start zu finden. Die wichtigste Basis ist aus meiner Sicht die positive Grundhaltung zum Thema. Man sollte die Chancen sehen und die Hindernisse auf dem Weg als lösbar betrachten. Daher wichtig: die Entwicklungen beobachten und als HR Skills und Kompetenzen aufbauen. Wenn HR in den Kompetenzvorsprung investiert, entsteht Nachfrage, was die Rolle und das Image von HR stärkt.


Über Andreas Meya

Eine hohe Kundenorientierung und jahrelanger Arbeit mit HR war Basis für die Transformation von der Digitalisierung des Haufe Content-Geschäfts hin zu dem, was es heute ist: Ein digitales Portfolio, welches Software & digitale Services mit einer hohen Expertise verbindet. Andreas Meya hat die Digitalisierungsreise mitgestaltet und entwickelt seit 20 Jahren Angebote für HR-Abteilungen. Heute verantwortet er als Division Manager die HR Service Solutions von Haufe.