Innovationsstandort Deutschland im Ranking der Branchen

Es rumort in Deutschlands Wirtschaft. Grund genug, sich der Stärken zu versichern. Nach wie vor ist eine dieser Stärken die Innovationskraft. Wir haben uns mit Matthias Siedler, Founding Partner bei eispach partners, über genau diese Stärke unterhalten. Er hat die MDAX- und DAX-Unternehmen genau auf diese Punkte hin untersucht und gibt in diesem Interview einen Überblick über Greentech, IT und Financial.

Wie schlägt sich der Innovationsstandort D im internationalen Vergleich?
Unsere Studien konzentrierten sich rein auf deutsche Unternehmen und deren Innovationskraft. Unabhängige Studien, wie der Global Innovation Index 2023, bestätigen jedoch, dass Deutschland weiterhin eine wichtige Rolle im internationalen Vergleich spielt, auch wenn Herausforderungen bestehen. Seit 2024 belegt Deutschland Platz 9 im Global Innovation Index, nachdem es einen Platz von der 8 auf die 9 zurückgefallen ist. Der Globale Innovationsindex (GII) wird von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, veröffentlicht.
Auch wenn Deutschland weiterhin unter den Top 10 der innovativsten Länder ist, zeigt der Rückgang im Ranking, dass andere Nationen stärker an Innovationskraft gewinnen.


Welche Ergebnisse haben Sie in Bezug auf Ihre beiden aktuellen Studien zum Thema Innovation am meisten überrascht?
Die MDAX- und DAX-Unternehmen haben die Notwendigkeit erkannt, für eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit in Innovation zu investieren. Obwohl die EBIT-Marge im MDAX von 7,8 % im Jahr 2021 auf 2,9 % im Jahr 2023
deutlich eingebrochen ist, wurden die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) nicht reduziert. Im Gegenteil, sie stiegen im gleichen Zeitraum proportional zu den Umsätzen um 25,2 %. Ein ähnliches Bild zeigte sich im DAX: Die EBIT-Marge sank von 10,7 % im Jahr 2021 auf 8,9 % im Jahr 2023, während die F&E-Ausgaben im gleichen Zeitraum um 19,7 % stiegen. Die F&E-Ausgaben stiegen dabei sogar stärker als der Umsatz. Dies zeigt, dass sowohl MDAX- als auch DAX-Unternehmen trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds die Notwendigkeit erkennen zu investieren.

In Bezug auf Karrierechancen und dem Ausblick auf die kommenden Jahre, wo stehen insbesondere die Branchen Greentech, IT und Financial?
Greentech (Energie/Versorgung): Sowohl ENCAVIS als auch Unternehmen im Energie-/Versorgungssektor trugen maßgeblich zur positiven Entwicklung der Branche in den Indizes bei. Auch wenn das Unternehmen SMA Solar mittlerweile nicht mehr im MDAX gelistet ist und mit Umsatzschwierigkeiten zu kämpfen hat, bleibt der Sektor äußerst relevant, um die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele, die durch politische Pläne wie den europäischen „Green Deal“ und das Pariser Klimaschutzabkommen vorangetrieben werden, zu erreichen. Dies spiegelt sich auch in der Beschäftigtenzahl wider: Im Energie-/Versorgungssektor des MDAX stieg die durchschnittliche jährliche Mitarbeiterzahl zwischen 2021 und 2023 um 15,9 %. Der Sektor bleibt somit ein zentraler Wachstumstreiber im Zuge der nachhaltigen Transformation.
IT (Technologie): Die Digitalisierung bleibt ein zentraler Megatrend, der alle Branchen beeinflusst. Unternehmen aus DAX und MDAX investieren branchenübergreifend verstärkt in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI), um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die zunehmende Bedeutung der Technologie-Branche zeigt sich auch im Wachstum der Beschäftigtenzahlen: Zwischen 2021 und 2023 stieg die durchschnittliche Mitarbeiterzahl im DAX (Infineon, Siemens, SAP) um +9,3% und im MDAX (Jenoptik, Nemetschek, TeamViewer, Scout24, Bechtle) sogar um +15,5%. Zudem hat der Technologie-Sektor im DAX mit 12,0 % die zweithöchste F&E Quote und mit Infineon den ersten Platz im Innovationsranking.
Finanzsektor: Der Finanzsektor war aufgrund fehlender F&E-Ausgaben nicht Teil der DAX Innovationsstudie. Es zeigt sich ein moderates Wachstum bei den Beschäftigtenzahlen, mit einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von +2,5%
(Allianz, Commerzbank, Münchener Rück, Hannover Rück, Deutsche Bank).

Was raten Sie jungen Menschen in Bezug auf Skills, die sie sich unbedingt aneignen sollten, unabhängig von Branche oder Unternehmen?
Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit: Der Arbeitsmarkt unterliegt einem stetigen Wandel. Wer sich kontinuierlich weiterbildet und flexibel auf neue Gegebenheiten reagiert, sichert sich langfristig Relevanz. Dies gilt insbesondere im
Hinblick auf technologische Fortschritte. Unternehmen investieren branchenübergreifend in Digitalisierung und KI, um so einen potentiellen Wettbewerbsvorteil zu kreieren. Daher sollten junge Menschen u.a. sich diese Themen zu ihrem eigenen machen. Auch für Fachleute, die bereits über umfangreiche Erfahrung verfügen, ist es entscheidend, stets auf dem neuesten
Stand zu bleiben. Kontinuierliche Weiterbildung und der Erwerb neuer Fähigkeiten zeigen Anpassungsfähigkeit und ein starkes Engagement für persönliche und berufliche Weiterentwicklung.
Mentoren suchen und Netzwerke nutzen: Der Aufbau starker beruflicher Beziehungen ist entscheidend für den langfristigen Erfolg. Es lohnt sich, gezielt nach Mentoren zu suchen, die bereits den gewünschten Karriereweg erfolgreich gegangen
sind, und von ihren Erfahrungen zu profitieren. Ein gut gepflegtes Netzwerk kann Zugang zu Chancen eröffnen, die oft nicht öffentlich ausgeschrieben sind. Erfolgreiche Netzwerke basieren auf kontinuierlichen Wissensaustausch und
gegenseitiger Unterstützung.
Proaktives Handeln und Führungsqualitäten zeigen: Unabhängig von der aktuellen Karrierestufe ist es wichtig, Initiative zu zeigen. Es geht darum, Vorschläge zur Prozessverbesserung einzubringen oder Projekte zu initiieren, die über die
eigene Rolle hinausgehen. Führungskompetenz zeigt sich nicht nur in formalen Führungspositionen, sondern auch darin, wie Herausforderungen angegangen werden, Teams unterstützt und Verantwortung übernommen wird.

Ein kurzer Ausblick aus Ihrer Perspektive: Wie blicken Sie auf das Thema künstliche Intelligenz?
Als Eisbach Partners sehen wir Künstliche Intelligenz (KI) nicht nur als einen entscheidenden Motor für Innovation und Wachstum, sondern auch als eine Technologie, die sich stetig weiterentwickelt und zunehmend komplexere Aufgaben
übernimmt. Während KI im ersten Schritt vor allem für die Automatisierung einfacher, repetitiver Tätigkeiten genutzt wurde, zeigt sich ihr Potenzial immer mehr für die Generierung ganz neuer Geschäftsmodelle. Für Unternehmen ist es daher entscheidend, einen strategischen Ansatz zu verfolgen, der auf Risikominimierung setzt. Das bedeutet, dass KI nicht sofort in vollem Umfang implementiert werden muss, sondern dass Pilotprojekte im Vordergrund stehen sollten. Diese Projekte bieten Unternehmen die Möglichkeit, in einem kontrollierten und risikoarmen Umfeld zu experimentieren, zu lernen und gleichzeitig flexibel auf technologische Veränderungen zu reagieren. KI ist kein statisches Feld, sondern eines, das sich ständig weiterentwickelt. Unternehmen, die bereit sind, in diese Dynamik zu investieren und gleichzeitig durch gezielte Piloten Risiken zu minimieren, werden langfristig die Gewinner sein. Es geht nicht nur darum, technologisch am Ball zu bleiben, sondern aktiv die Zukunft des eigenen Geschäfts mitzugestalten.


Über Matthias Siedler

Nachdem Matthias Siedler für weltweit führende Unternehmen in der Automobil- und Internetbranche gearbeitet hatte, entschied er sich, die Unternehmenswelt zu verlassen und den Schritt ins Startup-Leben zu wagen. Zunächst als Mitgründer und CTO von carpooling.com und später als Mitgründer von eisbach partners. Bei eisbach partners hat er die Chance, ständig neue Innovationen und Technologien zu erleben und aktiv mitzugestalten, wodurch er stets am Puls der Zeit bleibt.