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Digitale Transformation vs. Arbeitsplatz?

Künstliche Intelligenz ist im Grunde auch ein Teil der digitalen Transformation. Und wie die Forschung gezeigt hat: Wir brauchen keine Angst davor zu haben, dass uns irgendwann die Arbeit ausgeht. Was wir aber tun sollten, ist, unser Skillset sinnvoll mit der digitalen Transformation und der künstlichen Intelligenz in Einklang zu bringen. Dazu sprachen wir mit Dr. Stefanie Seele am Institut der deutschen Wirtschaft.

Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Berufsfelder werden sich durch KI definitiv weiterentwickeln. Dr. Stefanie Seele rät besonders Berufseinsteigern dazu, diese Weiterentwicklungen genau zu beobachten und das Werkzeug KI steuern zu können.

Frau Dr. Seele, was zeigt Ihre Forschung in Bezug auf die Digitalisierung und den Arbeitsmarkt? Wechseln die von Digitalisierung betroffenen Menschen schneller den Arbeitgeber oder gar in die Arbeitslosigkeit?
Die Sorge vor Arbeitsplatzverlusten aufgrund technologischen Wandels wie etwa durch die Digitalisierung ist nicht neu. Sie scheint allerdings bislang unbegründet. Zwar gibt es beispielsweise in Deutschland in vielen fertigungs- und produktionsnahen Berufen aktuell ein hohes Potenzial, dass einzelne Tätigkeiten durch Digitalisierungstechnologien ersetzt werden könnten. In der betrieblichen Praxis scheinen sich die Tätigkeiten dieser Berufe aber eher zu verändern, was die Beschäftigung von potenziell ersetzbaren Berufen sogar stabilisiert und verstetigt. 

Rund um von Digitalisierung betroffenen Berufen und Prozessen sind zahlreiche neue Berufsbilder entstanden. Was sagt die Empirie zur Veränderung in der Arbeitswelt? 
Digitalisierungstechnologien sind allein kein Ersatz für komplette Berufe – weder, wenn die Technologien ergänzend, noch wenn sie ersetzend zu Tätigkeiten von Berufen eingesetzt werden können. Die Digitalisierung braucht zum Beispiel bestimmte Tätigkeiten und damit Berufsbilder, um überhaupt erst entwickelt zu werden. Beschäftigte in diesen Schlüsselberufen sind kaum arbeitslos und wechseln seltener den Betrieb. Digitalisierung sorgt bei Beschäftigten also bislang für mehr Stabilität für die betroffenen Individuen. Eine offene Einstellung gegenüber neuen Technologien und Arbeitsprozessen im Beruf ist da sicherlich von Vorteil für Berufseinsteiger und Beschäftigte allen Alters. 

Eine offene Einstellung für Digitalisierungstechnologien ist von Vorteil für Berufstätige jeden Alters

Dr. Stefanie Seele

Aktuell geraten Unternehmen aus verschiedenen Richtungen unter Druck und müssen die Potenziale von Automatisierung und künstlicher Intelligenz im Kontext von Produktivität heben. 
Ich möchte ergänzen: Die Unternehmen und Beschäftigten sind aktuell inmitten einer umfassenden Transformation auf dem Arbeitsmarkt. Digitalisierung und künstliche Intelligenz sind aus meiner Sicht wichtige Hebel, um der Demografie, der Dekarbonisierung und der De-Globalisierung zu begegnen. Je nachdem wie gut Beschäftigte sich auf Neues einlassen und auch beruflich Technologien sinnvoll nutzen, entscheidet sich, ob die Verfügbarkeit von Technologien im Betrieb beispielsweise die Produktivität und damit auch die dazu gehörende Entlohnung steigert oder nicht. 

Aus Ihrer Sicht: Was können Unternehmen und auch Mitarbeitende tun, um die Qualität der Arbeit durch Automatisierung und KI zu steigern? 
Wichtig ist, dass Beschäftigte trotz der vielen neuen Möglichkeiten die KI bringt und bringen wird, weiterhin die Oberhand behalten und letztlich die Entscheidungen selbst treffen und der KI nicht gänzlich das Feld überlassen. Es geht um produktivitätssteigernde Interaktion von Menschen mit KI. Weil einzelne Tätigkeiten vom Menschen überwacht durch KI erledigt werden, gewinnen wir Zeit für anderes. Die gewonnene Zeit sollten die Beschäftigten möglichst für sinnvolle Dinge nutzen, um sich und die Arbeit im Betrieb weiterzuentwickeln. Und: Natürlich fallen Arbeitsplätze Dank technologischen Wandel weg, aber bisher sind trotzdem immer neue Beschäftigungsmöglichkeiten hinzugekommen. Arbeit wird dadurch auch vielfältiger, kreativer und hoffentlich interessanter. 

Gerade Berufsfelder in der Fertigung könnten durch KI bald verschwinden. Wie kann ich das zum Vorteil wenden, wenn ich weiß, dass mein Berufsfeld als Berufseinsteiger in der Fertigung dank künstlicher Intelligenz bald verschwunden sein könnte ? 
Individuell stehen Berufseinsteiger vor anderen Herausforderungen als etwa ihre Elterngeneration, die dann vielleicht altersbedingt in einigen Jahren in Rente geht. Aber den Jüngeren hilft zumindest der Fachkräftemangel bei der Jobsuche. Und wer offen für Neues ist, kann in seinem weiterentwickelten Berufsfeld die KI steuern und entscheiden, wohin die Reise geht. Kurzum: Die Arbeit ging der Menschheit bisher nicht aus und wird es auch künftig nicht. 


Unsere Interviewpartnerin

Dr. Stefanie Seele studierte und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die gebürtige Berlinerin ist Senior Economist am Institut der deutschen Wirtschaft und unterrichtet parallel dazu Volkswirtschaftslehre an der HWR Berlin und der HU Berlin. In ihrer Forschung – der empirischen Arbeitsmarktökonomie – analysiert sie die Folgen von Arbeitsmarktreformen, dem technologischen Wandel und der Dekarbonisierung auf Löhne und Beschäftigung