Kein Freifahrschein gegen das Denken

Warum junge Menschen KI wirklich verstehen sollten

Bianca Enderlin ist Unternehmerin und begleitet Organisationen dabei, sich selbst und ihre Arbeit neu zu verorten – aus Klarheit, Tiefe und echter Wirkkraft heraus. In diesem Beitrag erklärt sie, warum es auch für junge Menschen extrem wichtig ist, KI in der Tiefe zu verstehen.

Ich erinnere mich an einen Moment während eines Schülerpraktikums in meinem Unternehmen.
Ein kluger, aufgeweckter Schüler sitzt vor dem Bildschirm. Er tippt eine einfache Additionsaufgabe in ChatGPT.

Ich frage: „Warum fragst du das?“ Er zuckt mit den Schultern. „Weil’s schneller geht.“

Dieser Moment hat mich erschüttert. Nicht, weil er die KI gefragt hat. Sondern weil er sich selbst vergessen hatte.

Wir leben in einer Zeit, in der KI für junge Menschen Alltag ist. Kein Wow-Effekt, kein Mysterium. So selbstverständlich wie WLAN.

Lernen sie dabei noch, selbst zu denken?
KI ist kein Denkfreifahrschein. Keine Abkürzung.
Ich bin keine Technikgegnerin. Im Gegenteil: KI ist ein mächtiges Werkzeug. Wie jedes Werkzeug braucht es eine bewusste Hand. Ein Skalpell schneidet, es heilt nicht von allein.

Die entscheidende Frage ist: Wofür wollen wir sie einsetzen?
Hier liegt unsere Verantwortung und eine gewaltige Chance.
Junge Menschen brauchen heute mehr als Medienkompetenz.
Sie brauchen Selbstkompetenz.
Die Fähigkeit, mit sich selbst in Beziehung zu stehen. Zu spüren:

Wer bin ich?
Was will ich wirklich?
Was will durch mich in die Welt?

Ohne inneren Kompass wird jede Information von außen zur Flut. Dann wird KI zum Reizfeuerwerk, zur Dauerbeschallung, zum Verwirrspiel.

Wer klar ist, wer innerlich verbunden ist, nutzt KI als das, was sie ist: ein Katalysator. Nicht für Beliebigkeit, sondern für Schöpfung.

Denn entscheidend ist nicht, was ich mit KI mache, sondern warum ich es tue. Ich nenne es liebevoll”mein heiliges Wofür”.
Wir verwechseln oft Mittel und Ziel.
KI ist kein Ziel. Sie ist nicht unsere Zukunft. Unser Bewusstsein ist es.
Fokus heißt für mich nicht bloß Konzentration. Fokus ist für mich ein innerer Zustand. Eine Ausrichtung auf das, was mir heilig ist.

Das mag romantisch klingen in einer Welt, die auf Performance getrimmt ist. Ich meine es radikal praktisch.

Wenn junge Menschen lernen, sich selbst zu spüren, nicht zur Selbstoptimierung, sondern zur Selbstverbindung, dann entsteht eine neue Art von Arbeitswelt.

Eine, die nicht auf Funktionieren basiert, sondern auf Wirken.

Was würde ich tun, wenn ich kein Geld verdienen müsste?
Was bringt mich zum Leuchten?

Diese Fragen sind kein Luxus. Sie sind essenziell.
Denn: Arbeit prägt uns oft mehr als Liebe.
Ein junger Mensch, der das versteht, wird KI nicht nur „bedienen“. Er wird mit ihr gestalten, co-kreieren.

Er wird nicht nur fragen: „Wie geht das?“
Er wird fragen: „Wofür lohnt es sich, dass es geht?“
Und genau das brauchen wir jetzt: Nicht mehr Wissen, sondern mehr Weisheit. Nicht mehr Effizienz, sondern mehr Essenz.

Wenn wir das weitergeben können,nicht als Regelwerk, sondern als innere Haltung, dann wird KI zur Riesenchance.

Nicht, um uns zu verlieren. Sondern, um uns selbst neu zu begegnen. Du machst einen Unterschied. Du bist wichtig.