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KI-Kompetenz ist kein „Nice to have“

Silke Masurat ist mit ihrem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität so etwas wie der Leuchtturm des Mittelstands. Gemeinsam mit ihr richten sich viele Unternehmen so aus, dass sie für Fachkräfte attraktiv sind. Daher ist genau sie die richtige Person, wenn wir über Upskilling, also über Personalentwicklung in der Breite, sprechen wollen.

Frau Masurat, übereinstimmend kommen verschiedene Studien, allen voran der Future Work Report, zu dem Ergebnis, dass Unternehmen „in der Breite“ neue Kenntnisse für das KI-Zeitalter etablieren müssen. Doch viele Unternehmen kämpfen aktuell mit existenziellen Herausforderungen. Verfängt die Botschaft?
Die Botschaft verfängt, aber oft nur selektiv. Viele Unternehmen erkennen die Dringlichkeit, doch klafft zwischen Einsicht und Umsetzung eine Lücke. Der Future Work Report zeigt: Wer heute nicht in KI-Kompetenzen investiert, riskiert in wenigen Jahren den Anschluss zu verlieren. Gleichzeitig stehen besonders KMUs vor kurzfristigen Krisen wie Fachkräftemangel, Energiekosten und Lieferkettenproblemen, die strategische Themen wie Upskilling in den Hintergrund
drängen.
Dennoch gibt es Pioniere, die das Thema strategisch angehen – etwa durch Micro-Learning-Formate oder Kooperationen mit EdTech-Anbietern. Der Einstieg ist oft einfacher als gedacht: Schon das regelmäßige Nutzen von KI-Tools wie ChatGPT
oder Copilot im Arbeitsalltag kann die Lernkurve fördern. Wichtig ist dabei, dass Führungskräfte als Vorbilder agieren und klar machen: KI-Kompetenz ist kein „Nice-to-have“, sondern überlebenswichtig.

„Mitarbeiter bleiben länger im Unternehmen, wenn sie klare Entwicklungsperspektiven sehen“, sagt Silke Masurat.

Wie können Unternehmen trotz zahlreicher Herausforderungen einen klaren Upskilling-Plan entwickeln?
Ein klarer Plan erfordert Priorisierung und Pragmatismus. Drei Schritte haben sich in der Praxis bewährt:

Skills-Assessment durchführen
Zuerst sollte man den aktuellen Stand im Unternehmen checken: Was können die Mitarbeiter schon, wo gibt es Lücken? Eine Gap-Analyse hilft dabei – etwa zu sehen, wie es um Datenkompetenz oder Prompt-Engineering steht. Tools wie Skills-Mapping oder einfach Mitarbeiterbefragungen liefern hier gute Ansätze.

Pilotprojekte starten
Am besten fängt man klein an, zum Beispiel mit einem „KI-Tag“, wo Teams konkrete Anwendungen ausprobieren. So sammelt man praktische Erfahrung, ohne gleich ein großes Projekt aufzusetzen.

Externe Angebote nutzen
Man muss nicht alles selbst machen – Hochschulen oder Plattformen wie Coursera bieten passende Kurse an. Das spart interne Ressourcen und bringt schnell Know-how ins Team.

Was mir besonders am Herzen liegt: Upskilling sollte Chefsache sein, nicht nur HR-Thema. Wenn die Führungsebene die Vorbildrolle lebt und aktiv unterstützt – zum Beispiel mit Budget, Zeit und Kommunikation – steigt die Akzeptanz im ganzen Unternehmen.

Weiterbildung und Training on the Job können ein schlagkräftiges Mitarbeiterbindungsinstrument sein. Wie wichtig ist das laut Ihren Beobachtungen?
Weiterbildung ist ein zentraler Hebel für Mitarbeiterbindung – besonders für die Generationen Y und Z, die kontinuierliches Lernen als festen Bestandteil ihrer Karriere erwarten. Studien zeigen, dass Mitarbeitende länger im Unternehmen
bleiben, wenn sie klare Entwicklungsperspektiven sehen. Effektive Weiterbildung muss jedoch zielgerichtet und praxisnah sein. Formate wie „Learning Sprints“, bei denen Teams neue Tools direkt anwenden, verbinden Wissensaufbau mit direktem Mehrwert für den Arbeitsalltag. Besonders wirksam ist es, Mitarbeitende aktiv einzubinden: Die Frage, welche Skills Mitarbeitende für ihre Rolle in zwei Jahren benötigen, können diese meist am besten beantworten. So wird
Weiterbildung zum individuellen Karrieretreiber statt eines Top-down-Programms.

Upskilling geht einher mit moderner Führungskultur… Inwiefern deckt sich diese These mit Ihren Beobachtungen?
Das deckt sich absolut mit meinen Beobachtungen. Eine moderne Führungskultur ist der Schlüssel für erfolgreiche Upskilling-Initiativen. Hierarchisches „Command-and-Control“ funktioniert nicht mehr – stattdessen braucht es eine kollaborative Kultur des Lernens und Experimentierens.

Erfolgreiche Führungskräfte setzen auf:

  • Empowerment: Freiräume für Lernzeiten schaffen.
  • Psychologische Sicherheit: Fehler als Lernchancen begreifen.
  • Transparenz: Den Sinn hinter Upskilling-Initiativen klar kommunizieren.
    Ein inspirierendes Beispiel ist das Konzept des „Reverse Mentoring#2: Hier coachen
    junge Mitarbeitende Führungskräfte und ältere Mitarbeitnde zu neuen Technologien
    wie KI-Tools. Das stärkt nicht nur die Kompetenzen aller Beteiligten, sondern auch
    das Vertrauen innerhalb des Teams.

Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Herausforderungen für Führungskräfte? Und was sind Ihre drei Ratschläge für die nächsten Monate?
Die größte Herausforderung besteht darin, den Spagat zwischen operativer Effizienz und strategischer Zukunftsfähigkeit zu meistern. Meine drei zentralen Ratschläge lauten:

  1. Machen Sie KI erlebbar:
    Starten Sie Pilotprojekte – z. B., indem Teams ChatGPT oder ähnliche Tools nutzen,
    um Prozesse zu optimieren. Nur durch Praxis entsteht Überzeugung.
  2. Seien Sie ein lernendes Vorbild:
    Zeigen Sie Offenheit für Neues und geben Sie zu, wenn auch Sie dazulernen
    müssen. Authentizität stärkt Glaubwürdigkeit und motiviert Teams.
  3. Denken Sie in Skills statt in Jobs:

Fragen Sie nicht: „Welche Berufe ersetzt KI?“ Fragen Sie: „Welche Tätigkeiten verändern sich – und wie bereiten wir uns darauf vor?“

Upskilling im KI-Zeitalter ist in meinen Augen keine einmalige Maßnahme – es ist ein kontinuierlicher Prozess der Transformation. Unternehmen, die jetzt handeln, sichern nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit, sondern schaffen auch eine Kultur des Wachstums und der Bindung von Talenten. Der Wandel mag herausfordernd sein – aber er beginnt mit kleinen Schritten und mutigen Führungspersönlichkeiten!