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Unternehmertum: „Man beginnt auf einem leeren Blatt Papier“

Ein persönlicher Wendepunkt im Leben, die Unzufriedenheit im Angestelltenverhältnis und eine gute Geschäftsidee haben Julius Grennigloh dazu bewogen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Erfahrung damit hatte er keine – aber viel Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Hier erzählt er von seinem Einstieg ins Unternehmertum und den vielen Emotionen die in so einer Gründungsphase auftauchen.

Krisenzeiten sind Gründungszeiten – das bestätigt sich aktuell auch in Deutschland: Die Anzahl an neu gegründeten Startups ist im vergangenen Jahr trotz anhaltender Krisenstimmung wieder leicht angestiegen. Die Hotspots sind weiterhin Großstädte, vor allem Berlin und München, sowie forschungsnahe Standorte. Es boomen insbesondere die Branchen Software, Medizin und Food. Das zeigt der Deutsche Startup Monitor 2024 des Startup Verbandes. Auch für viele junge Menschen ist es vorstellbar, sich selbstständig zu machen beziehungsweise ein eigenes Unternehmen zu gründen. Laut des Global Entrepreneurship Monitors 2023 der Bertelsmann Stiftung ist fast jeder Zweite daran interessiert, Männer eher als Frauen. Allerdings gehen deutlich weniger von ihnen tatsächlich den Schritt. Viele sind unsicher, haben kein Zutrauen in die eigenen Kompetenzen, zweifeln am nötigen Wissen und scheuen den mit der Gründung einhergehenden Stress.

Wie lassen sich diese Hürden überwinden? Unternehmerisches Denken und Handeln werden selten in die Wiege gelegt und Deutschland ist nicht gerade für eine gründungsfreundliche Kultur bekannt. Verwaltungsprozesse und Bewerbungsverfahren für Förderprogramme dauern in der Regel deutlich länger als im Ausland; während das Verfahren vom Beginn bis zum Eintrag einer Gesellschaft in Estland oft in weniger als einer halben Stunde erledigt ist, muss man in Deutschland bis zu vier Wochen einplanen. Neben einem positiven Bild vom Unternehmertum und dem leichteren Zugang zu Ressourcen, braucht es also viel Mut und Selbstbewusstsein.

Wichtig ist das Zeit- und Selbstmanagement: Am Anfang sitzt man oft bis Mitternacht am Schreibtisch und kann vorm Schlafengehen schlecht abschalten – das zerrt an den Nerven. So musste auch ich lernen, mich selbst gut zu strukturieren und Aufgaben zu priorisieren.

Aus dem eigenen Bedarf heraus zur Gründungsidee finden

Meine Gründungsidee ist aus dem eigenen Bedarf heraus entstanden. 2018 habe ich die Diagnose Diabetes-Typ-1 erhalten. Ich hatte mich länger schlapp gefühlt, ungewöhnlich viel Durst, und mir daraufhin Blut abnehmen lassen. Als wäre die chronische Erkrankung selbst nicht schon Schock genug, kam sie zum ungünstigsten Zeitpunkt – parallel zum Einstieg in
einen neuen Job. Das Onboarding ging einher mit Blutzucker messen, Kohlenhydrate zählen und Insulin spritzen. Was mich dabei am meisten gestört hat: Essen, ohne Appetit zu haben, und zu jeder Tages- und Nachtzeit der Griff zu schnell wirkenden, aber ungesunden, zuckerhaltigen Lebensmitteln. Der Suchtmechanismus des Zuckers, maßgeblich hervorgerufen durch den süßen Geschmack und seine Wirkung auf das körpereigene Belohnungssystem, hat dazu geführt, dass auch ich, der vorher fast nie Süßigkeiten gegessen hat, anfing zwischendurch immer wieder zu naschen – auch ohne Unterzucker.
Sowas wird schnell zur Gewohnheit. So kam ich auf die Gründungsidee: die Entwicklung eines Dextroseprodukts, das keinen klebrig-süßen Geschmack im Mund erzeugt, nicht die Zähne angreift und gleichzeitig vom Körper rasch verwertet wird – eine Marktlücke.

Der Weg von der Idee bis zur Umsetzung und schlussendlich dem Dasein im Unternehmertum war steinig. Vom ersten Prototypen über die Patentanmeldung bis hin zum Verkaufsstart lief vieles am Ende ganz anders ab als gedacht. Ich startete das Projekt neben meinem Vollzeitjob, ohne jegliche Erfahrung im Gründen. Zugute kamen mir betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Berufserfahrung in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Finanzen. Trotzdem ist der Schritt etwas Eigenes von null aufzubauen eine deutlich größere Herausforderung als in bestehenden Strukturen zu arbeiten. Man beginnt auf einem leeren Blattpapier, ohne Möglichkeiten sich an Bestehendem zu orientieren.

Impulse bekam ich von meinem Vater, ehemals Bauunternehmer – er hatte immerhin schon einmal eine Gesellschaft mitgegründet –, und befreundeten Unternehmern. Ein Rat an dieser Stelle: sich von Beginn an mit Anderen auszutauschen und ein Netzwerk aufzubauen. Die erste Herausforderung ließ nicht lange auf sich warten: Vollzeit arbeiten und gründen
sind schwer miteinander zu vereinbaren. Ich musste nebenher prüfen, ob sich das Produkt überhaupt nach meinen Vorstellungen umsetzen lässt, einen Produkthersteller finden, und sicherstellen, dass die Kosten realisierbar sind. Ich hatte zu Beginn keinerlei Strukturen und war gezwungen, nach dem Prinzip „Learning by Doing“ vorzugehen. Klassische
Internetrecherche, Kaltakquise, alte Kontakte reaktivieren, zu Hause mit der Tablettenpresse experimentieren. Mit einem Produzenten war ich dann so weit, dass er Proben herstellte – größere Chargen funktionierten aber nicht. Eine monatelange Hängepartie, kurzzeitiges Outsourcing an ein Partnerunternehmen, viel verschwendetes Produkt und eine vierstellige
Fehlinvestition folgten. Zwei Entscheidungen waren in dieser Phase wichtig: Die Festanstellung zu kündigen und den Produzenten zu wechseln, um von vorne anzufangen.


Julius Grenningloh hat sich bei seinem Einstieg ins Unternehmertum mit vielen unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert gesehen – aber aufgeben kam nicht infrage.

Ein Jahr später als geplant läuft die Produktion nun, dennoch sind kontinuierliche Verbesserungen nötig, und nicht alles ist machbar. Bestätigt hat sich aber: Namhafte Hersteller mit jahrelanger Erfahrung am Markt und großen Produktionskapazitäten bieten mehr Planungssicherheit und Verlässlichkeit, was insbesondere für junge Unternehmen,
welche sich nicht zu viele Fehltritte am Anfang leisten können, essenziell ist. Unterschätzt habe ich auch den Umgang mit neuen Medien. Auf Social Media wird man schnell abgestraft, wenn der Content nicht die Kriterien erfüllt. Dazu gehört die richtige Sprachregelung: was darf ich rechtlich gesehen überhaupt kommunizieren? Hier kann „Learning by Doing“ teuer werden, lieber eine Runde mehr (mit einem Anwalt) drehen, bevor man loslegt.

Hinfallen und wieder aufstehen

Über Wochen der Enttäuschung und Demotivation hinweggeholfen hat mir das Mindset, dass solche Phasen zum Günden dazugehören – man muss sie aushalten, wenn man grundsätzlich hinter seiner Idee steht. Mittlerweile steckt so viel Herzblut in dem Geschäft, dass ich nicht mehr ans Aufhören denke. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan, wenn die eigene Existenz vom Erfolg der Gründung abhängt.

Unterstützung hatte ich von einem befreundeten Unternehmer, der in einem ähnlichen Umfeld tätig ist – ihm konnte ich viele Fragen zur Wahl der richtigen Partner, zur Patentanmeldung und zu rechtlichen Anforderungen stellen. Gute Anlaufstellen sind darüber hinaus Gründernetzwerke – die habe ich selbst im Nachhinein viel zu wenig genutzt. Gleiches gilt für Gründerstipendien und -zuschüsse.

Allgemein empfiehlt es sich, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und Dinge, die viel Fachwissen erfordern oder zeitintensiv sind, auszulagern. Mein Vater hat zum Beispiel die Buchhaltung übernommen. In dem Bereich hatte ich zwar sehr viel Erfahrung, aber die Arbeit ist äußerst zeitintensiv und so kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Außerdem
unterstützt mich eine Agentur bei den Themen Website und Marketing.

Ebenfalls wichtig ist das Zeit- und Selbstmanagement: Am Anfang sitzt man oft bis Mitternacht am Schreibtisch und kann vorm Schlafengehen schlecht abschalten – das zerrt an den Nerven. So musste auch ich lernen, mich selbst gut zu strukturieren und Aufgaben zu priorisieren. Außerdem versuche ich regelmäßig mentale Auszeiten vom Tagesgeschäft zu
nehmen: mit simplen Sachen wie Lesen, Spazierengehen und Sport machen.

Kundenakquise: Was ist eigentlich erlaubt?

Das eigene Unternehmen – Freiheit und Selbstbestimmung. Arbeiten nach den eigenen Regeln. Kein Wunder, dass auch immer mehr Absolventen das Thema als Alternative zum Angestelltenverhältnis sehen. Doch während die zukünftigen Jungunternehmer hinsichtlich Finanzierung und Gründungsphase sehr viele Informationen bekommen, gibt es auf einem anderen – viel wichtigeren Feld – Stolperfallen: der Kundenakquise. Dabei ist letztere absolut notwendig und Basis jedweder Unternehmung. Und im Internet erfahren sie dazu viel ungesundes Halbwissen.

Wir sprachen mit Karsten Gröger von der KEHL Rechtsanwaltsgesellschaft über Missverständnisse in der Kundenakquise und darüber, was man – besonders im digitalen Raum – eigentlich darf. Die Beispiele im Text dienen der Illustration und Verständlichkeit und stellen keine individuelle Rechtsberatung dar.

Herr Gröger, gibt es Stolperfallen, die Ihnen in Ihrem Alltag immer wieder begegnen? Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Kunden- und Auftragsakquise ist das zentrale Thema gerade für Start-Ups und junge Unternehmen. Wer sich gründet, will loslegen und seine Geschäftsidee umsetzen. Das ist gut und richtig – aber es gibt auch immer wieder Aktionismus, der teuer werden kann. Das betrifft in der Praxis meist das E-Mail-Marketing. Denn viele Unternehmer wissen noch immer nicht, dass man potentielle Kunden weder im B2C- noch im B2B-Bereich einfach so per E-Mail anschreiben darf. Jedenfalls nicht zu Werbezwecken. Es drohen teure Abmahnungen, Schmerzensgeldforderungen und Stress mit der Datenschutzbehörde – Ärger, den man als Gründer nicht gebrauchen kann.

Gerade im digitalen Raum gibt es Tools und Automatisierungs-Plattformen, die Ihnen versprechen, nahezu automatisiert Kunden zuzuführen, indem öffentlich einsehbare Informationen genutzt werden, um persönlich adressierte Anschreiben zu gestalten, die dann via E-Mail auch in der Mailbox des Empfängers landen. Eine tolle Möglichkeit, oder?

Diese Tools gibt es und sie werden in letzter Zeit immer mehr. Häufig sitzen die Anbieter im nichteuropäischen Ausland, z.B. in den USA. Doch hier ist Vorsicht geboten. Zwar ist klassischer „Adresshandel“ nicht verboten und man kann potentielle Kunden grundsätzlich per Briefpost anschreiben – jedenfalls dann, wenn kein Werbewiderspruch vorliegt. Derartige Infopost ist aber teuer und deshalb – gerade bei jungen Unternehmen – unbeliebt. Völlig anders ist die Rechtslage aber bei elektronischer Werbung, etwa durch E-Mails, SMS oder Ähnliches. Das geht – abgesehen von Bestandskunden – nur mit einer freiwilligen, transparenten und informierten Einwilligung des Betroffenen – Stichwort hier: Double-Opt-In mit dokumentierter Einwilligung. Einfach E-Mail-Adressen kaufen und Werbemails losschicken – oder losschicken lassen – ist unzulässig. Auch zwischen Unternehmern.

Wollen junge Menschen ihr eigenes Unternehmen gründen, müssen sie eine starke Lernkurve absolvieren. Karsten Gröger, Juristischer Mitarbeiter von KEHL Rechtsanwälte, bringt etliche grundsätzliche Ratschläge im Interview. Copyright Florian Endt

Welche Bestimmungen sind maßgeblich an der Stelle?

Dreh- und Angelpunkt ist hier letztlich die EU-Datenschutzgrundverordnung. Diese gilt zwar im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich erst einmal nur bei der Datenverarbeitung natürlicher Personen, aber ihre grundsätzlichen Erwägungen, u.a. zu Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, gelten letztlich auch im B2B-Bereich. Der Versand unerwünschter Werbemails stellt in der Regel eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts dar. Die DSGVO geht als EU-Primärrecht dem deutschen Recht vor und bestimmt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten prinzipiell verboten ist, es sei denn, dem Datenverarbeiter steht eine Rechtsgrundlage hierfür zur Seite. Das nennt man „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Die Rechtsgrundlagen sind in Art. 6 DSGVO abschließend aufgezählt. Bei elektronischer Werbung im geschäftlichen, bzw. gewerblichen Bereich kommen als Rechtsgrundlagen nur die Einwilligung oder aber ein s.g. berechtigtes Interesse in Betracht. So ein berechtigtes Interesse – jedenfalls nach deutschem Recht – greift aber nur, wenn die Bestimmungen des Bestandskundenprivilegs nach § 7 Abs. 3 UWG vorliegen. Das heißt, es muss sich um einen Kunden handeln, der beim werbenden Unternehmer schon mal etwas bestellt hat, dabei seine E-Mail-Adresse angegeben hat, der Unternehmer ihn bei Erhebung der Mailadresse und bei jeder Verwendung darüber informiert hat, dass er Werbung jederzeit widersprechen kann und dass nur für s.g. ähnliche Produkte oder Dienstleistungen geworben wird. Die Vorschrift ist recht restriktiv und hilft jedenfalls für Neukundenakquise nicht weiter. Aber so ist die Rechtslage in Deutschland.

Was ist denn grundsätzlich eigentlich noch erlaubt? Gibt es eine Vorgehensweise, zu der Sie raten?

Die EU neigt dazu, Dinge über das Notwendige hinaus zu regulieren. Hinzu kommt, dass Deutschland selbst dann meistens noch „einen draufsetzt“. Das haben wir damals bei der DSGVO gesehen und das ist für eine Gründungskultur sicherlich hinderlich. Denn die Großkonzerne, die von der Regulierung eigentlich „getroffen werden“ sollten, integrieren sowas einfach in ihre Compliance-Abteilungen, die sie sowieso haben. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich auch als KMU bei der Kundengewinnung rechtskonform zu verhalten und Risiken zu minimieren. Sie können bspw. innerhalb von Karrierenetzwerken agieren, auf die klassische Infopost per „Snail Mail“ zurückgreifen, eine wertige und rechtssichere Newsletterkultur pflegen oder die Möglichkeiten der Werbung in Suchmaschinen und Sozialen Netzen nutzen. Das kommt auch immer ein bisschen auf die Branche an. Im unternehmerischen Verkehr kann sich auch Telefonwerbung anbieten – diese ist zulässig, solange es zumindest eine mutmaßliche Einwilligung gibt. Zum Beispiel: Wenn Sie ein Personalvermittler sind und Sie rufen einen potentiellen Kunden an, der auf seiner Webseite eine Stellenausschreibung veröffentlicht hat, ist ihr Werbeanruf normalerweise zulässig – jedenfalls solange der Angerufene nicht widerspricht. Auch die Chancen, die Künstliche Intelligenz, bzw. Machine-Learning-Systeme bieten, sollte man künftig nicht außer Acht lassen. Aber am Ende gilt immer: Machen Sie das Produkt so gut, dass es möglichst ohne Werbung auskommt.

Prinzipiell sagt man immer, Netzwerken ist hervorragend, um Kunden zu gewinnen. Besonders LinkedIn und Xing seien hier stellvertretend genannt. Was darf ich auf solchen Plattformen?

Hier haben Sie grundsätzlich mehr Möglichkeiten, potentielle Kunden anzusprechen, weil alle Mitglieder von LinkedIn oder Xing die jeweiligen Nutzungsbedingungen akzeptiert haben – etwa, um Werbung oder Nachrichten von anderen Nutzern zu erhalten. Voraussetzung ist aber, dass Sie sich mit ihrer Ansprache innerhalb der Infrastruktur der jeweiligen Plattform bewegen und auch dort akzeptieren, wenn jemand der Werbung widerspricht. Unzulässig wäre es, die Plattform lediglich zu nutzen, um potentielle Kunden „zu sammeln“, um diese dann reklamemäßig auf anderen Wegen außerhalb der Plattform zu kontaktieren.


Über Karsten Gröger

Karsten Gröger ist Juristischer Mitarbeiter bei der KEHL Rechtsanwaltsgesellschaft in Halle (Saale). Die Kanzlei ist deutschlandweit im Wirtschaftsrecht tätig mit Schwerpunkten im Gewerblichen Rechtsschutz, IT- und Datenschutzrecht und in der Start-Up-Beratung. Sie erreichen die Kanzlei im Internet unter www.kehl.legal.


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