Kundenakquise: Was ist eigentlich erlaubt?

Das eigene Unternehmen – Freiheit und Selbstbestimmung. Arbeiten nach den eigenen Regeln. Kein Wunder, dass auch immer mehr Absolventen das Thema als Alternative zum Angestelltenverhältnis sehen. Doch während die zukünftigen Jungunternehmer hinsichtlich Finanzierung und Gründungsphase sehr viele Informationen bekommen, gibt es auf einem anderen – viel wichtigeren Feld – Stolperfallen: der Kundenakquise. Dabei ist letztere absolut notwendig und Basis jedweder Unternehmung. Und im Internet erfahren sie dazu viel ungesundes Halbwissen.

Wir sprachen mit Karsten Gröger von der KEHL Rechtsanwaltsgesellschaft über Missverständnisse in der Kundenakquise und darüber, was man – besonders im digitalen Raum – eigentlich darf. Die Beispiele im Text dienen der Illustration und Verständlichkeit und stellen keine individuelle Rechtsberatung dar.

Herr Gröger, gibt es Stolperfallen, die Ihnen in Ihrem Alltag immer wieder begegnen? Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Kunden- und Auftragsakquise ist das zentrale Thema gerade für Start-Ups und junge Unternehmen. Wer sich gründet, will loslegen und seine Geschäftsidee umsetzen. Das ist gut und richtig – aber es gibt auch immer wieder Aktionismus, der teuer werden kann. Das betrifft in der Praxis meist das E-Mail-Marketing. Denn viele Unternehmer wissen noch immer nicht, dass man potentielle Kunden weder im B2C- noch im B2B-Bereich einfach so per E-Mail anschreiben darf. Jedenfalls nicht zu Werbezwecken. Es drohen teure Abmahnungen, Schmerzensgeldforderungen und Stress mit der Datenschutzbehörde – Ärger, den man als Gründer nicht gebrauchen kann.

Gerade im digitalen Raum gibt es Tools und Automatisierungs-Plattformen, die Ihnen versprechen, nahezu automatisiert Kunden zuzuführen, indem öffentlich einsehbare Informationen genutzt werden, um persönlich adressierte Anschreiben zu gestalten, die dann via E-Mail auch in der Mailbox des Empfängers landen. Eine tolle Möglichkeit, oder?

Diese Tools gibt es und sie werden in letzter Zeit immer mehr. Häufig sitzen die Anbieter im nichteuropäischen Ausland, z.B. in den USA. Doch hier ist Vorsicht geboten. Zwar ist klassischer „Adresshandel“ nicht verboten und man kann potentielle Kunden grundsätzlich per Briefpost anschreiben – jedenfalls dann, wenn kein Werbewiderspruch vorliegt. Derartige Infopost ist aber teuer und deshalb – gerade bei jungen Unternehmen – unbeliebt. Völlig anders ist die Rechtslage aber bei elektronischer Werbung, etwa durch E-Mails, SMS oder Ähnliches. Das geht – abgesehen von Bestandskunden – nur mit einer freiwilligen, transparenten und informierten Einwilligung des Betroffenen – Stichwort hier: Double-Opt-In mit dokumentierter Einwilligung. Einfach E-Mail-Adressen kaufen und Werbemails losschicken – oder losschicken lassen – ist unzulässig. Auch zwischen Unternehmern.

Wollen junge Menschen ihr eigenes Unternehmen gründen, müssen sie eine starke Lernkurve absolvieren. Karsten Gröger, Juristischer Mitarbeiter von KEHL Rechtsanwälte, bringt etliche grundsätzliche Ratschläge im Interview. Copyright Florian Endt

Welche Bestimmungen sind maßgeblich an der Stelle?

Dreh- und Angelpunkt ist hier letztlich die EU-Datenschutzgrundverordnung. Diese gilt zwar im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich erst einmal nur bei der Datenverarbeitung natürlicher Personen, aber ihre grundsätzlichen Erwägungen, u.a. zu Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, gelten letztlich auch im B2B-Bereich. Der Versand unerwünschter Werbemails stellt in der Regel eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts dar. Die DSGVO geht als EU-Primärrecht dem deutschen Recht vor und bestimmt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten prinzipiell verboten ist, es sei denn, dem Datenverarbeiter steht eine Rechtsgrundlage hierfür zur Seite. Das nennt man „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Die Rechtsgrundlagen sind in Art. 6 DSGVO abschließend aufgezählt. Bei elektronischer Werbung im geschäftlichen, bzw. gewerblichen Bereich kommen als Rechtsgrundlagen nur die Einwilligung oder aber ein s.g. berechtigtes Interesse in Betracht. So ein berechtigtes Interesse – jedenfalls nach deutschem Recht – greift aber nur, wenn die Bestimmungen des Bestandskundenprivilegs nach § 7 Abs. 3 UWG vorliegen. Das heißt, es muss sich um einen Kunden handeln, der beim werbenden Unternehmer schon mal etwas bestellt hat, dabei seine E-Mail-Adresse angegeben hat, der Unternehmer ihn bei Erhebung der Mailadresse und bei jeder Verwendung darüber informiert hat, dass er Werbung jederzeit widersprechen kann und dass nur für s.g. ähnliche Produkte oder Dienstleistungen geworben wird. Die Vorschrift ist recht restriktiv und hilft jedenfalls für Neukundenakquise nicht weiter. Aber so ist die Rechtslage in Deutschland.

Was ist denn grundsätzlich eigentlich noch erlaubt? Gibt es eine Vorgehensweise, zu der Sie raten?

Die EU neigt dazu, Dinge über das Notwendige hinaus zu regulieren. Hinzu kommt, dass Deutschland selbst dann meistens noch „einen draufsetzt“. Das haben wir damals bei der DSGVO gesehen und das ist für eine Gründungskultur sicherlich hinderlich. Denn die Großkonzerne, die von der Regulierung eigentlich „getroffen werden“ sollten, integrieren sowas einfach in ihre Compliance-Abteilungen, die sie sowieso haben. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich auch als KMU bei der Kundengewinnung rechtskonform zu verhalten und Risiken zu minimieren. Sie können bspw. innerhalb von Karrierenetzwerken agieren, auf die klassische Infopost per „Snail Mail“ zurückgreifen, eine wertige und rechtssichere Newsletterkultur pflegen oder die Möglichkeiten der Werbung in Suchmaschinen und Sozialen Netzen nutzen. Das kommt auch immer ein bisschen auf die Branche an. Im unternehmerischen Verkehr kann sich auch Telefonwerbung anbieten – diese ist zulässig, solange es zumindest eine mutmaßliche Einwilligung gibt. Zum Beispiel: Wenn Sie ein Personalvermittler sind und Sie rufen einen potentiellen Kunden an, der auf seiner Webseite eine Stellenausschreibung veröffentlicht hat, ist ihr Werbeanruf normalerweise zulässig – jedenfalls solange der Angerufene nicht widerspricht. Auch die Chancen, die Künstliche Intelligenz, bzw. Machine-Learning-Systeme bieten, sollte man künftig nicht außer Acht lassen. Aber am Ende gilt immer: Machen Sie das Produkt so gut, dass es möglichst ohne Werbung auskommt.

Prinzipiell sagt man immer, Netzwerken ist hervorragend, um Kunden zu gewinnen. Besonders LinkedIn und Xing seien hier stellvertretend genannt. Was darf ich auf solchen Plattformen?

Hier haben Sie grundsätzlich mehr Möglichkeiten, potentielle Kunden anzusprechen, weil alle Mitglieder von LinkedIn oder Xing die jeweiligen Nutzungsbedingungen akzeptiert haben – etwa, um Werbung oder Nachrichten von anderen Nutzern zu erhalten. Voraussetzung ist aber, dass Sie sich mit ihrer Ansprache innerhalb der Infrastruktur der jeweiligen Plattform bewegen und auch dort akzeptieren, wenn jemand der Werbung widerspricht. Unzulässig wäre es, die Plattform lediglich zu nutzen, um potentielle Kunden „zu sammeln“, um diese dann reklamemäßig auf anderen Wegen außerhalb der Plattform zu kontaktieren.


Über Karsten Gröger

Karsten Gröger ist Juristischer Mitarbeiter bei der KEHL Rechtsanwaltsgesellschaft in Halle (Saale). Die Kanzlei ist deutschlandweit im Wirtschaftsrecht tätig mit Schwerpunkten im Gewerblichen Rechtsschutz, IT- und Datenschutzrecht und in der Start-Up-Beratung. Sie erreichen die Kanzlei im Internet unter www.kehl.legal.


Bildquelle / Lizenz Aufmacher: Foto von Andrey Matveev auf Unsplash